Arthur sitzt hinter mir im Auto, zwischen den Sitzen seiner Schwester und seinem Bruder. Er spricht auffällig wenig diesen Morgen. Seine Geschwister sind schon in Krippe und Kindergarten abgeladen. Auf seinem Schoß ist der blau-graue Schulranzen, den seine Mutter für ihn ausgesucht hat.
Für mich ist dieser Tag seltsam. Als wir an der Schule ankommen, steht eine Lehrerin an einem offenen Metalltor, in das die Erstklässler einströmen. Es gibt hier in Frankreich keine Schultüten. Aber auch sonst nichts, was ich gut fand an meinem ersten Schultag. Keiner hat etwas besonders schönes an, die Eltern nehmen sich nicht mal fünf Minuten zum Verabschieden ihrer Kinder. Es gibt weder Fotografen, noch höre ich viel "Bon Courage" um mich herum. Die Ferien sind einfach zu Ende, der Rucksack schwerer und die Herausforderungen größer geworden. Am Abend gibt es ein Essen, das Arthur nicht sonderlich mag und als er Schwierigkeiten mit seinen ersten Hausaufgaben hat, wirft seine Mutter ihm vor er würde sich keine Mühe geben.
Die Kinder haben immer Schule bis halb vier und danach gibt es noch Nachmittagsbetreuung, dafür ist am Mittwoch frei. Das finde ich wiederum ziemlich cool am französischen Schulsystem. Dennoch - dieser erste Schultag von "meinem" Großen hat mich doch etwas verstört....
Ruhig ist der September. Es ist Erntezeit und ich habe die Kinder viel mehr als sonst. Dennoch ist alles irgendwie entspannt. Castille schlägt mich inzwischen bereits gelegentlich im Memory, ohne, dass ich absichtlich Fehler machen müsste und mit Arthur habe ich erst kürzlich einen Turm gebaut, der fast an meine Körpergröße heranreichte. Doch am coolsten ist eigentlich die Kugelbahn aus zwei Baumstämmen und jeder Menge Brennholz, die jetzt, mitten in Cotignac, auf dem unbenutzten Teil des Parkplatzes neben dem Tennisplatz steht. Zu der kam es, da der Spielplatz abgesperrt war und wir so ausweichen mussten auf eben jenen Platz, der sich bestens eignet zum Rad- und Rollerfahren. Doch Castille war dennoch unglücklich mit dieser Wendung, so dass ich ein anderes Spiel finden musste. So bauten wir beide erst aus dem Totholz, dass umliegende Weingüter dort für die Stadt abladen können, eine kleine Hütte und als Arthur eine liegen gebliebene Bocciakugel fand, war Castille endgültig getröstet. Vielleicht gibt es dazu wann anders noch ein Bild, sollte ich irgendwann wieder besseres Netz haben....
Langsam lerne ich immer mehr Leute immer besser kennen und meine Französischlehrerin, ihre Frau und ich sind wohl endgültig, wirkliche Freundinnen. Nicht nur, dass sie mich zum Essen in die Stadt einluden, nein wir reden auch über wirklich persönliche Themen und Catherine neckt mich auf die gleiche Weise wie ihre anderen Freunde, die ich kennen lernen durfte. Darunter unter anderem Evelyne und Yannick. Vor allem zweiteren habe ich echt gern. Er malt (https://yannick-schwarz.fr) und ist durch und durch Künstler. Im Moment hütet er das Haus von Catherine und wenn ich frei habe radle ich vorbei um mit ihm in den Pool zu springen. Letzten Sonntag war ich bis nach elf Uhr nachts da und er war so freundlich Fahrrad und mich heim zu fahren. Für mein Französisch ist diese Bekanntschaft auch von Vorteil - denn sonst spricht er nichts. Doch das hält uns nicht auf uns gemeinsam mit Spiritualität, Philosophie, Liebe im Feld und Politik zu beschäftigen. Er gehört zu einer der interessantesten Menschen, die ich bisher kennen lernen durfte!
Außerdem hat er auch eine Tochter, die nur wenig älter ist als ich. Sie ist ein zartes, schüchternes Wesen mit feinem Gesicht und großem Talent (https://www.facebook.com/melahele/). Wir haben uns aber erst einmal gesehen, in der Galerie ihres Vaters, in der aber auch ihre Werke verkauft werden. Momentan sogar mehr von ihren, als von seinen. Sie saß da und malte, während ich still im Türrahmen stand, um ihr zuzusehen. Eine weiche Energie geht von ihr aus. Ich hoffe, dass ich sie noch näher kennen lerne!
Rote Flecken
Zwischen grünen Blättern
Als hätte die Abendsonne
Ihre letzten Strahlen vergessen
Abgeerntet sind die Reben
Die vormals schwer behangen
Letzte Trauben
Hängen noch, werden geholt
Von singenden Vögeln
Es ist kühler geworden
Auch hier
Die Sonne schläft nun länger morgens
Wenn ich erwache
Nur eine orangene Ahnung
Am Horizont sich erhebt
Auf der anderen Seite
Der Mond
Der schon fast den Wald berührt
Rot wie der Wein
Im Wettstreit mit der Sonne
In Schönheit
Und mystischer Magie
Wolken malen Muster voll Dramatik
An das Himmelsblau
Getrieben vom Wind, stark und herbstlich frisch
Eine gefärbt wie ein Regenbogen
Woanders dunkel, dicht
Dort wieder hell, nah, leicht über meinem Kopf
Ein Geruch von Erde
Regenfrische
Und Morgentau
Eine Stimmung
Die, die Poesie der Welt einlädt
Julimond? Aber es ist doch September! Stimmt, aber in dem Fall ist es auch mein Spitzname für das bald zwei Monate alte Baby von der befreundeten (oder verwandten?) Familie mit der wir alle zusammen in Sanary-sur-la-mer sind. Sie heißt eigentlich Quitterie, aber mit ihren klaren blauen Augen, der hellen Haut und dem einnehmenden Lächeln, fand ich "Lune de julliet" sehr passend für dieses zart Wesen. Gestern waren ihre Eltern und die "meiner" Kinder essen, so dass Alberics Mutter und ich die Kinder hatten. Zunächst war auch alles gut. Oscar war bereits im Bett, die Kinder hatten ihr Abendessen beendet, Victoire die zweijährige Schwester von Quitterie sogar bereits im Bett, als Quitterie erwachte und zu weinen begann - und dann auch erst mal nicht mehr aufhörte. Alle machten irgendwie an ihr herum, doch nichts wollte so wirklich helfen. Während ich mich erst ums drumherum und dann um Castille und Arthur kümmerte. Doch warum ich das überhaupt hier schreibe liegt an dem was danach folgte, als die Oma zu den großen Kindern zum Gute-Nacht-sagen ging.
"Meine" kleine Julimond ist in meinen Armen. Ihre Schreie scheinen von der Verlassenheit der Welt zu erzählen. Ich werde ganz weich. Löse mich auf. Meine Grenzen verwischen, mein Ego verschwindet in der Energie die plötzlich durch mich fließt und Quitterie in einen Cocon aus Liebe hüllt. Ich summe ein Lied. Ihr Weinen wird ruhiger. Noch eine Weile gehe ich mit wiegendem Schritt durch den Raum. Kaum bemerke ich, wie die Großmutter der Kinder wieder den Raum betritt und ihr Abendessen beendet. Langsam, vorsichtig um sie nicht wieder zu wecken lege ich das Baby schlafen. Ich bleibe noch bis nach Mitternacht bei ihr, bis ihre Eltern zurück kommen. Sie schläft nicht sehr tief. Immer wieder wacht sie auf. Doch ich weiß ganz von alleine, wo ich sie berühren muss, wann sie ihren Schnuller, wann meine Hand oder wann einfach nur meine Präsenz braucht.
Sehr dankbar bin ich ob dieses Geschenks des Lebens! Schön war es mit "Lune de julliet" zu fliegen, nichts zu sein!
Ich habe drei Möwen geseh'n
Sie waren so wunderschön
Sie flogen hoch am Firmament
Das keine Grenzen kennt
Weiß der Bauch, schwarz die Flügelspitzen
Ich blieb ein klein wenig sitzen
Ihren Flug zu betrachten
Den sie in Schwüngen, sachten
Gleiten, gleiten, Flügelschlag, Kurve, gleiten
In den Horizont ausweiten